26.05.2025

Thüringer_Krieger.JPG

 Die von K. Scheelen erstellte plastische Gesichtsrekonstruktion des „Herrn von Boilstädt“.

Der aus einem merowingisch-thüringischen Gräberfeld gehobene stattliche germanische Reiterkrieger, von einer Körperhöhe 1,80 Meter, gehörte wahrscheinlich der gotischen Volksgruppe an, wie seine DNA aus dem östlichen Europa vermuten lässt. Wahrscheinlich war er volksgläubig bzw. ein Heide im Glauben, denn er hatte die Münze für den Fährmann über den Unterweltsfluss im Mund, den sog. „Charonspfennig“. Auch die ihm ins Grab mitgegebenen Jenseits-Speisen weisen nicht auf eine möglicherweise christliche Gesinnung hin. Er führte die Massenproduktion einer kleinen byzantinische Lampe mit sich, die christliche Symbolik besaß, mit sich. Es ist entspricht einer banausenhaften krampfhaften Verchristlichungs-Manie, aufgrund dieses Öllämpchens, den Krieger als einen Christen zu bezeichnen.

Gesichtsrekonstruktionen des „Herrn von Boilstädt“

Als „Herr von Boilstädt“ wird die Grablege eines Kriegers der thüringisch-fränkischen Herrenschicht aus dem 6. Jahrhundert in der Nähe von Boilstädt in Thüringen bezeichnet. Sie blieb lange ungestört; 2013 wurde sie mit reichhaltigen Grabbeigaben geborgen. Nachdem bei Straßenbauarbeiten an der neuen Umgehungsstraße zwischen Gotha-Sundhausen und Gotha-Boilstädt im Jahre 2012 archäologische Funde gemacht wurden, fanden von August 2012 bis November 2013 Ausgrabungen durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) statt. Die weit über 100 Funde auf einer Trassenlänge von etwa drei Kilometern wurden auf verschiedene Epochen datiert. Älteste Befunde stammen aus Siedlungsresten der jungsteinzeitlichen Linearbandkeramik (5500 v. Chr. – 5 Einzelbestattungen und 1 Mehrfachbestattung mit mindestens 9 Individuen), während andere Siedlungsreste der frühen Bronzezeit (um 2000 v.0) zugeordnet wurden. Weitere Befunde weisen auf Grabhügel der späten Bronzezeit (ca. 1000 v.0 – 1 Grabhügel mit Zentralbestattung und 3 Nachbestattungen am Hügelfuß) und auf Spuren der Besiedelung aus der Eisenzeit (ca. 500 v.0) hin.

Die bedeutendsten Funde stammen aus dem Frühmittelalter (um 600 n.0) aus der Zeit der Merowinger. Aus dieser Epoche wurden 44 Grablegen gefunden (40 menschliche Gräber und 4 Pferdebestattungen, davon eine mit Hund). Von den menschlichen Gräbern hatten 9 Gräber hölzerne Grabeinbauten und 3 Grabstätten waren als Hügel ausgebildet. Es wurden 3 Doppelbestattungen und 4 Nachbestattungen aufgefunden. Von den ausgegraben 47 Individuen waren 40 Erwachsene (8 männliche, 14 weibliche und 18 archäolog. unbestimmbare Erwachsene) und 7 Kinder. Alle Individuen zeigten keine Hinweise auf kriegerische Auseinandersetzungen. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 40 Jahren. Um die genaue Ausdehnung des Gräberfeldes zu ermitteln, wurde im Sommer 2016 eine Magnetfeldgradienten-Kartierung vom TLDA durchgeführt. Mit einem Magnetometer wurde die Umgebung der bisherigen Fundstellen untersucht. Die Ergebnisse weisen auf weitere Bestattungen nördlich der bisherigen Fundstelle hin. Das Areal wurde als Bodendenkmal eingetragen und unter Schutz gestellt.

Die wichtigsten Befunde bildeten zwei reich ausgestattete Kriegerbestattungen, die vollständig erhalten waren und nicht beraubt wurden. Beide stammen aus der Zeit um 600 n.0 und stellen in diesem ungestörten Zustand eine Seltenheit dar. Sie tragen die Bezeichnungen „Befund 96“ und „Befund 131“. Der „Herr von Boilstädt“, wie ihn die Archäologen wegen der Nähe der Fundstätte zu Boilstädt nannten, obwohl das Grab in der heutigen Gemarkung Sundhausen liegt, befand sich im Befund Nr. 96. Er hatte eine Größe von 1,5 × 2,8 Meter und lag 2,3 Meter unter der Oberfläche. Unmittelbar in der Nähe wurden ein Pferdeskelett und die Überreste eines Hundes gefunden, was Rückschlüsse auf die Stellung des Toten erlaubt. Das kleinere Grab (Befund 131) hatte geringere Abmessungen und lag nur einen Meter unter der Oberfläche. Während die meisten Befunde vor Ort gesichert wurden, entschied man sich bei diesen beiden Befunden zu einer Blockbergung. Im Oktober 2013 erfolgte die Bergung und Verbringung nach Weimar-Ehringsdorf, in eine Außenstelle des TLDA. Hier konnten die Befunde unter Laborbedingungen geborgen und konserviert werden. Dabei erwies sich der Befund 96, das Grab des „Herren von Boilstädt“, als ein Befund mit überregionaler Bedeutung.

Mit dem „Herren von Boilstädt“ konnte erstmals in Thüringen eine ungestörte christliche [?] Bestattung aus dem ausgehenden 6. Jahrhundert mit modernen Methoden erforscht werden Die Ausstattung des Grabes lässt auf weitreichende Beziehungen der Thüringer Elite schließen. Die Grabkammer wurde als 17 Tonnen schwerer Block nach Weimar gebracht und von Oktober 2014 bis August 2015 freigelegt. Neben der Dokumentation wurden Funde entnommen und konserviert. Die Ausgrabung zeigte, dass die hölzerne Grabkammer ursprünglich von einem Grabhügel von etwa acht Meter Durchmesser überhügelt gewesen war. Der Tote war in der Holzgrabkammer auf einer hölzernen Liege auf dem Rücken aufgebahrt und fiel, nachdem die Liege verwittert war, auf den Bauch. Im September 2015 wurde das zuvor als separater Block eingehauste Skelett gedreht, um auch an die Funde unter dem Skelett zu kommen, ohne es zu zerstören. Im Oktober 2015 wurden die Freilegungsarbeiten abgeschlossen und die Restaurierung fortgesetzt.

Der „Herr von Boilstädt“ war etwa 30 bis 35 Jahre alt und ungefähr 1,80 Meter groß. Seine kräftige Statur und sein Stiernacken deuten, neben den Grabbeigaben, auf einen Krieger hin. Seine Zähne weisen einen erstaunlich guten Zustand auf, die auf gute Ernährung schließen lassen. Gefunden wurden an seinem Skelett sogenannte Reiterfacetten, die auf Veränderungen der Oberschenkelknochen in Form einer Ausweitung der Gelenkflächen an den Oberschenkelköpfen auf die Oberschenkelhälse hinweisen. Dies ist eine Besonderheit, die auf einen Reiter hinweist, zumal in unmittelbarer Nähe des Befundes ein Pferdeskelett gefunden wurde. Die Muskelgruppen wiesen eine normale Ausprägung auf, nur die Muskelgruppen, die beim Reiten beansprucht werden, waren überdurchschnittlich ausgebildet. Anthropologische Untersuchungen beim TLDA zeigten eine gut gerichtete Nasenbeinfraktur, die wahrscheinlich im Gesicht kaum sichtbar war. Eine vermutliche Kopfschwartenentzündung weist auf das Tragen luftundurchlässiger Kopfbedeckung hin. Es fanden sich keine Anzeichen eines gewaltsamen Todes.

Anhand der extrahierten DNA aus den Zahnwurzeln und der genetischen Fingerabdrücke (mitochondriale DNA bzw. Chromosomen im Genom) wurde an der Universität Göttingen eine Zuordnung zu Haplogruppen durchgeführt. Es wurde festgestellt, dass die beiden Krieger nicht verwandt waren. Die Analyse der väterlichen Abstammung zeigte, dass der Ursprung der Familienlinie des „Herrn von Boilstädt“ im östlichen Europa zu finden ist, der des zweiten Kriegers im westlichen Europa liegt. Die Analyse genetischer Marker, welche die Augen- bzw. Haarfarbe codieren, ergab, dass der „Herr von Boilstädt“ blond und blauäugig war, während der zweite Krieger dunkle Haare und grünbraune Augen hatte.

Anhand der beim FBI verwendeten Methode der zeichnerischen Rekonstruktion wurden durch eine Sachverständige des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt nach dem Aufbringen von Weichteilmarken auf dem 3D-Modell des Schädels, Transparentpapiere über diese Abstandshalter aufgebracht. Darauf wurde mit Bleistiftzeichnungen das Gesicht rekonstruiert. Mit dieser Methode kann man zwar die Proportionen des Schädels darstellen, aber Mimik, Altersmerkmale, Haare und Augenbrauen lassen sich so nicht definieren. Die Zeichnungen enthalten somit spekulative Merkmale.

Weichteilmarkern vorbereiteten 3D-Druck des Schädels modelliert. Die Kontur des Gesichts wird durch die Weichteilmarker und die Muskeln bestimmt. Die Form und Größe der Augen, der Nase und des Mundes wird von den Knochen bestimmt. Die Knochen bestimmen auch die Position der Ohren. Über die Form der Ohren musste aber spekuliert werden. Aus der Öltonbüste wurde ein Gipsabdruck gefertigt, mit dem dann ein Abguss aus Silikonkautschuk erstellt wurde, der dann in mehreren Schritten koloriert wurde. Die Haare von Kopf, Bart, Augenbrauen und Wimpern wurden einzeln in die Büste gewebt. Glasaugen, mit der Farbe die über die DNA-Analyse ermittelt wurde, komplettieren die Büste. Die Gestaltung der Haar- und Barttracht erfolgte auf der Grundlage von Münzfunden aus der damaligen Zeit.

Zu den bedeutendsten Beigaben gehören eine byzantinische Lampe mit christlicher Symbolik und eine westgotische Goldmünze (Tremissis). In dieser Kombination sind die Funde in Deutschland einzigartig. Die herausgehobene Stellung des Mannes belegen auch die weiteren Grabbeigaben: Waffen wie Schildbuckel mit Buntmetallnieten, Speerspitze, Ango, Sax (einschneidiges Hiebschwert), Spatha (zweischneidiges Langschwert), Schwertgarnitur - Reitzubehör wie Trense, mehrere Silber- und buntmetallüberzogene Eisenniete des Zaumzeuges - Persönliche Ausrüstungsgegenstände wie Goldmünze Ende 6. Jahrhunderts, (Charonspfennig – im Mund des Befundes), Dreilagenkamm, Glasspielstein, Beutel mit Glasperlenkette, Fragment eines eisenzeitlichen Glasarmringes und mehrere Flachglassplitter, bronzene Öllampe, massiver Buntmetallring und vermutlich eine Dose aus Rinde mit einem kleinen silbernen Beschlag - Speisebeigaben, wie Tierknochen, Eierschalen und eine Fischhaut (Hecht) belegen - in etwa vier Meter Entfernung ein Grab mit einem enthaupteten Pferd und einem Hund.

12/01/2018 - Das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) stellte eine plastische Gesichtsrekonstruktion des sog. „Herrn von Boilstädt“ vor. Der Thüringer Krieger war um 600 n.0 in der Nähe des heutigen Gotha mit reicher Grabausstattung in einer Holzkammer beigesetzt worden. Als Teil seiner umfassenden wissenschaftlichen Auswertung rund um den 2013 bei Gotha im Block geborgenen und bis 2016 in Weimar freigelegten „Herrn von Boilstädt“ hat das TLDA eine zeichnerische wie auch eine dreidimensionale Gesichtsrekonstruktion des frühmittelalterlichen Kriegers in Auftrag gegeben – die nach kriminalistischer Methodik angefertigten Ergebnisse wurden durch Frau Staatssekretärin Dr. Babette Winter enthüllt. Für die plastische Gesichtsrekonstruktion fertigte Frau Kristina Scheelen M.A. von der Universitätsmedizin Göttingen auf Basis eines 3D-Ausdrucks des gescannten Originalschädels zunächst eine Büste in Ton an. Von dieser stellte sie einen Abguss mit Silikonkautschuk her, den sie anschließend kolorierte und mit Echthaar versah. Haar- und Augenfarbe waren zuvor von Frau Dr. Susanne Hummel (Uni Göttingen) anhand von DNA-Analysen bestimmt worden. Während die wissenschaftliche Weichteilrekonstruktion über den Schädel als solche relativ eindeutig ist, bleibt ein gewisser Spielraum für Frisuren, Barttracht oder auch Kopfbedeckungen. Mehrere wahrscheinliche Varianten werden in Zeichnungen dargestellt, die Frau Dipl.-Ing. Steffi Burrath vom Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt auf Grundlage derselben vom amerikanischen FBI entwickelten Methodik anfertigte.